Vier Hochzeiten und ein Todesfall - Zwei Wochen CONCACAF-Staaten Juni 2008

Vier Hochzeiten und ein Todesfall

Zwei Wochen CONCACAF-Staaten Juni 2008

Diary of some Groundhopping
Übersicht Reiseberichte
 
Teil 2

EM oder nicht EM, das ist hier die Frage...

Als Fußballfan mit Hang zum Stadionbesuch gibt es angesichts einer Fußball-Europameisterschaft eigentlich nur zwei Alternativen: Teilnahme - also hinfahren und Spiele besuchen - oder Flucht. Unser Leihwagen Angesichts der schon hinreichend bereisten Gastgeberländer der diesjährigen Ausgabe entstand so der Plan, dem EM-Rummel zu entrinnen, und was böte sich da mehr an als eine Tour in die USA, wo sich die Anteilnahme an der EM in Grenzen halten dürfte? Während der ersten beiden EM-Wochen gibt der Spielplan des Landes und einiger von dort aus erreichbarer Staaten auch genug her, um die Gelüste auf Spielbesuche zu befriedigen, und dazu bleibt hinreichend Zeit, sich den Sehenswürdigkeiten der Stationen zu widmen. Mit Steve wird auch ein weiterer Mitfahrer gefunden, so daß es zu dritt über den großen Teich gehen kann - den Zuschlag dafür bekommt angesichts eines guten Preises Singapore Airlines, wobei auch die Tatsachen zu gefallen wissen, daß die Fluglinie einen Direktflug von Frankfurt nach New York anbietet und man angesichts von deren Mitgliedschaft in der Star Alliance sogar sein Miles&More-Konto füttern kann. Die Fortbewegung vor Ort soll per Mietwagen erfolgen und außerdem werden noch ein paar weitere Flüge gebucht - bei American Airlines und Caribbean Airlines.

Ankunft in New York

Nach einem unspektakulären Flug erreicht man die amerikanische Metropole, wobei sich die Einreise als völlig unkompliziert erweist. Die Gettysburg größte Hürde gibt es vor Abflug zu meistern, da die Einreisebehörden die Angabe einer kompletten Aufenthaltsadresse verlangen, bei Touren durch das Land die des ersten Hotels, in dem man zu nächtigen gedenkt. Da es praktisch niemanden juckt, ob man da reserviert hat oder überhaupt nicht auftaucht, ist die Hürde nicht allzu hoch, aber man sollte halt vorher eine Adresse ermitteln und die muß wirklich komplett sein - also inklusive Adresse und ZIP (entspricht unserer Postleitzahl). Zusätzlich ein Zollformular und einen Visawaiver (also ein Visa-Umgehungs-Formular) ausgefüllt und schon steht der Einreise in die Vereinigten Staaten nichts mehr im Wege. Dann geht es flugs in den Air Train, um bei National den gebuchten Mietwagen entgegen zu nehmen, denn die Zeitverschiebung ist für uns und man kann bei Abflug am Freitag morgen bereits am Freitag Abend das erste Spiel sehen - geplant ist der USL-2-Kick Harrisburg City Islanders gegen Richmond Kickers. Was übrigens vorbei zu sein scheint, ist die Zeit, in der man in den USA die niedrigste Wagenkategorie gebucht hat und dann mangels Verfügbarkeit ein größeres Auto bekommen hat - zumindest heute ist ein VW Golf verfügbar, der für die nächsten beiden Wochen unser treuer Begleiter werden soll.

Harrisburg und Gettysburg

Harrisburg dürfte noch einigen als Ort einer der ersten Atomunfälle bekannt sein, ansonsten kommt die Hauptstadt Pennsylvanias aber Gettysburg nicht besonders aufregend daher und so plant man, hier nur den Spielbesuch zu verbringen, wobei die City Islanders, wie es der Name nahelegt, auf einer ganz malerischen Insel mitten im Fluß spielen - dabei handelt es sich in dem Fall um den Susquehanna. Als Touristenziel wird dagegen Gettysburg ausgewählt, wo bekanntlich eine der entscheidenden Schlachten in den Sezessionskriegen stattgefunden hat, die in den USA allgemein einfach als "Civil War" - also Bürgerkrieg tituliert werden. Nach einer Übernachtung in einem Vorort von Gettysburg (der Wirt erinnert uns alle an Norman Bates, kommt aber nicht nachts mit dem Messer vorbei) geht es in die Stadt, die sich jedoch als nicht sonderlich aufregend erweist, so daß man sich zügig weiter zu den historischen Schlachtfeldern begibt. Hier haben einige (alle?) an der Schlacht beteiligten Divisionen Monumente aufgestellt und es gibt auch diverses über das Geschehen zu lesen, aber insgesamt ist es doch eher oberflächlich als eine echte Verarbeitung der Geschichte - irgendwie so, wie man sich den US-amerikanischen Umgang mit derartigen Dingen auch vorstellt.

Columbus und Baltimore

Der folgende Abend und der kommende Tag werden ganz im Zeichen des Fußballs stehen, da der Besuch der Spiele Columbus Crew gegen Grabmal von Edgar Allan Poe San Jose Earthquakes und Crystal Palace Baltimore größere Fahrstrecken erfordert. Bis auf einen recht nervigen Polizisten, der nach dem Crew-Spiel den direkten Weg zu unserem kostengünstigen Parkplatz auf dem ALDI-Gelände nebenan verweigert, weil wir dafür durch die PKW-Ausfahrt des offiziellen Parkplatzes müßten, gibt es keine besonderen Vorkommnisse und so kann man den Sonntag Abend in Baltimore noch dazu verwenden, das Grab des bekannten Lyrikers Edgar-Allen Poe zu besuchen und sich am Hafen eine Mahlzeit zu genehmigen, bevor es ins Bett geht - am nächsten Tag ist spielfrei und es soll die bislang vertagte Besichtigung des gut 300 Kilometer entfernten New York angegangen werden. Übernachtungsmöglichkeiten zu finden ist in den USA übrigens recht einfach, da an vielen Autobahnabfahrten bereits vorhandene Motels ausgeschildert sind und man über Discount-Heftchen, die häufig ausliegen, an Adressen kommt und sogar noch zu vergünstigten Preisen (ab 55 $ für ein Viererzimmer mit zwei Doppelbetten) einchecken kann. Zu beachten ist nur, daß die Preise in diesen Heften wie auch in den meisten Läden ohne Mehrwertsteuer ausgezeichnet sind - ein völlig sinnfreies Vorgehen.

New York New York

In New York - oder genauer gesagt Manhatten - angekommen, was natürlich inklusive Anfahrtstau und Parkplatzsuche deutlich später ist als New York vom Empire State Building aus ursprünglich geplant, entscheidet man sich, zunächst mal das Empire State Building zu erklimmen (natürlich per Aufzug) und wird von der doch recht spektakulären Aussicht in alle Richtungen belohnt - überall gibt es Hochhäuser zu sehen, die jedoch vom ESB weit überragt werden. Auch andere bekannte Bauwerke wie die Brooklyn Bridge lassen sich identifizieren und in der Ferne kann man auch noch Liberty Island mit der Freiheitsstatue erkennen. Das soll auch das nächste Ziel sein, doch per U-Bahn am Fährhafen angekommen, erfolgt die Ernüchterung, denn die letzte Fähre verläßt den Hafen bereits um 15:30 Uhr und somit muß der Besuch bei Lady Liberty erstmal vertagt werden. Von daher macht man sich auf den Weg nach Norden, denn am nächsten Tag ist ein Kick in Rochester angesagt, das nahe zur kanadischen Grenze liegt. Da Rochester als nicht sonderlich sehenswert gilt, soll es nur zum Spiel aufgesucht werden, davor ist ein Kontrastprogramm zur Großstadtbesichtigung in New York geplant, denn man will mit einem Besuch der Niagarafälle ganz auf Natur setzen.

New York vom Empire State Building aus

New York vom Empire State Building aus

Die Niagarafälle

Da die Niagarafälle von New York aus gesehen etwa 130 Kilometer hinter Rochester liegen, ist ein straffer Zeitplan angesagt, aber Die Niagarafälle für dessen Einhaltung wird man mit einem wirklich beeindruckenden Naturschauspiel belohnt, bei dem das Wasser bis zu 50 Meter tief in die Schlucht hinabstürzt und an das man - natürlich nur gegen harte Dollar - fast beliebig nah herangehen kann, auf Wunsch Dusche durch den Wasserfall inbegriffen. Kaum zu glauben, daß sich hier die eine oder der andere in Fässern oder Ähnlichem in die Tiefe gestürzt haben, was auf Schautafeln hinreichend zelebriert wird, auch wenn derartiges Draufgängertum seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts streng verboten ist und hoch bestraft wird. Mit gemischten Gefühlen hört man aber auch, daß die Niagarafälle heutzutage ein an- und abschaltbares Touristenspektakel geworden sind, denn die Kanadier betreiben hier ein Wasserkraftwerk, für das bis zu 90 % des Wassers an den Fällen vorbei geleitet wird - natürlich nur nachts und zu besuchsarmen Zeiten. Auch für Tierfreunde wird übrigens was geboten, denn in den Klippen an den Fällen nisten Möwen, die samt der zugehörigen Küken überhaupt keine Scheu vor den Menschen zeigen.

Die Niagarafälle

Küken ganz ohne Scheu

Auf nach Puerto Rico!

Nach dem Spiel in Rochester bleibt keine Zeit für ein Hotel, denn am nächsten Tag soll es nach Puerto Rico gehen und man muß - auch wenn Ganz nah dran ein paar Stunden Luft sind - direkt zum Flughafen nach New York fahren. Dort angekommen scheint zunächst alles normal zu laufen und die Maschine nach Miami, wo es einen Zwischenstop gibt, wird pünktlich bestiegen. Dann jedoch ist von technischen Problemen mit der Elektronik die Rede und die Passagiere müssen erst mal wieder aussteigen. Eine Stunde später wird das Boarding wiederholt und man startet auch, doch das Ergebnis ist ernüchternd, denn etwa weitere 60 Minuten später kommt die Durchsage, daß man nach New York zurückkehren müsse, denn das Fahrwerk der Maschine lasse sich nicht einfahren. Dort heißt es erst mal wieder stundenlanges Warten, bis ein Ersatzflugzeug samt Crew beschafft ist. Auf die Idee, Essensgutscheine auszugeben, kommt man übrigens genau in dem Moment, als der Flieger nun endlich zum Einsteigen bereitsteht... Als der Flug endlich in Miami landet, ist es bereits nach 21 Uhr - zwei Stunden vorher war eigentlich die Landung in Puerto Ricos Hauptstadt San Juan geplant gewesen.

Krisenmanagement bei American Airlines

Das Krisenmanagement bei American Airlines erweist sich als katastrophal bis nicht vorhanden. Es gibt keinerlei Auskünfte außer von einem mit Am Strand gerade mal drei Leuten besetzen Schalter - eine besondere Betreuung der Passagiere, von denen natürlich einige nach Puerto Rico wollen oder einen anderen Anschlußflug verpaßt haben, findet nicht statt. So stellen sich vielleicht 100 Leute ordentlich in einer Schlange auf und neben etwas Gemurre gibt es kaum Unmutsbekundungen. Wir spalten uns in einen Schlangewarter und zwei Nach-Vorne-Geher und Ohren-Aufhalter auf und kriegen so mit, daß man zu Fuß ins Nachbarterminal gehen kann, wo auch ein Infodesk offen ist, den wir tatsächlich völlig leer von Kunden vorfinden. Buchen kann man uns nicht auf die erste Maschine am Folgetag - nur auf die Warteliste setzen - und eine Extramaschine oder der Einsatz eines größeren Flugzeugs ist natürlich auch nicht vorgesehen. Dafür stattet man uns mit Hotelgutscheinen aus und dort angekommen erfährt man erst mal in der Rezeption, daß überhaupt kein Zimmer frei sein ("American Airlines macht das immer so"), aber man vermittelt von dort etwas in einem anderen Hotel.

San Juan oder nicht San Juan, das ist hier die Frage!

Inzwischen ist es auch fast 2 Uhr morgens geworden und so ist eine komfortable Nachtruhe von fast 2,5 Stunden angesagt, bis es zum Airport State Capitol Building und Statue von San Juan zurückgeht. Da sagt einem auch keiner was, aber man hat immerhin eine Wartenlistenbordkarte und kann durch die Sicherheitskontrolle zum Gate gehen, wo man ebenfalls wieder überhaupt keine Auskünfte bekommt. Immerhin bekommt man mit, daß gelegentlich auf dem Display eine Warteliste eingeblendet wird, auf der über 30 Leute stehen - unsere kleine Reisegruppe allerdings wohl dank des Kunstgriffes, die Schlange am freien Infodesk zu überholen, auf Platz eins bis drei aussichtsreich positioniert ist. Irgendwann verschwinden dann auch unsere Namen von der Warteliste und tauchen auf einer "Cleared List" auf, was wir als gutes Zeichen interpretieren und am Ende werden wir tatsächlich zum Einsteigen ausgerufen. Was mit den anderen Leuten passiert - immerhin vermutlich zu einem großen Teil am Vortag von AA versetzt - erfahren wir nicht mehr, denn insgesamt kommen außer uns dreien nur noch zwei weitere Leute mit dem Frühflug mit.

Puerto Rico - San Juan


Puerto Rico erweist sich als für nicht Strand- oder Tauchinteressierte doch als eher etwas langweilige Angelegenheit. Nach einem kleinen Ausflug in die Altstadt, Statue von San Juan und Ausblick aufs Meer wo es immerhin eine recht hübsche Town Hall, eine Statue von San Juan persönlich, der nicht nur Namensgeber der Hauptstadt, sondern auch Schutzheiliger der ganzen Insel ist, und ein von weitem begutachtetes historisches Fort gibt, doch abend- oder auch nur nachmittagfüllend ist das nicht und so zieht man sich beizeiten auf sein Hotelzimmer zurück, um sich vor dem Spiel vor Ort noch Euro 2008 im Hotelzimmer anzusehen - alle Spiele werden auf ESPN2 live gezeigt. Danach geht es per Bus und U-Bahn zum Stadion, das eine eigene Station ("Deportivo") hat, die so recht einfach zu erreichen ist. Nach dem Spiel zurück im Hotel ist man froh, daß man am nächsten Tag diesen ausgesprochen langweiligen Ort verlassen kann, der nicht einmal Unterhaltung für einen Nachmittag hatte bieten können.

Teil 2