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20.08.2004, Millerntor, DFB-Pokal |
Der FC St. Pauli und der FC Energie Cottbus sind alte Bekannte, die seit Mitte der 90er Jahre im
Ligafußball - zumeist in der 2. Liga - immer wieder aufeinandertrafen und auch bereits einmal im
DFB-Pokal das Vergnügen hatten. In der Saison 1996/97 reiste der damaliga Bundesligist St. Pauli zum
Regionalligisten an die Lausitz und mußte sich mit 5:4 nach Elfmeterschießen geschlagen geben. In
der Saison 2004/2005 ist die Konstellation etwas anders und der FC Energie kommt als Zweitligist mit
Aufstiegsaspirationen an die Elbe, wo ein mäßig in die Spielzeit gestarteter FC St. Pauli - einem Auswärtssieg
in Wuppertal folgten drei Niederlagen, davon zwei im heimischen Millerntorstadion - hofft, sich durch eine
gute Pokalleistung Auftrieb auch für den Ligaalltag verschaffen zu können. Immerhin konnten die Kiezkicker das
letzte Heimspiel gegen Cottbus mit einem klaren 4:0 nach Hause bringen - was übrigens in der Spielzeit 2001/02
und somit der einzigen gemeinsamen Saison in der ersten Bundesliga war. Ein weiterer Vorteil für die Hausherren
sollte natürlich darin liegen, daß der Druck am heutigen Tag auf dem Favoriten lastet und das ist naturgemäß der
klassenhöhere der beiden Kontrahenten.
Nach einer ausgeglichenen Anfangsphase sieht es so aus, als würden sich die Hoffnungen der Gastgeber erfüllen,
besonders, als die in der zehnten Minute aus einer unübersichtlichen Situation hinaus in Führung gehen. Wohl die wenigsten
Zuschauer auf den Rängen werden dabei gesehen haben, daß es mit Ronny Nikol ein Spieler von Cottbus war, der das Leder im eigenen
Netz untergebracht hat. Auch danach ist nur selten ein Klassenunterschied festzustellen - daß die Partie dennoch
kippt, muß sich Achim Hollerieth, der sonst oft gefeierte Torhüter des FC St. Pauli ankreiden lassen. In der 26.
Minute sieht der Goalie beim Ausgleichstreffer der Gäste nicht gut aus, sieben Minuten später gibt er beim Herauslaufen
ein ganz schlechtes Bild ab und begünstigt so den Treffer zur Führung von Energie. Bis zur Halbzeit benötigen die Hausherren, um
sich zu sammeln, danach blasen sie zum Sturmlauf auf das Tor der Gäste, die so Platz zum Kontern haben, was zu einer offenen Partie mit Chancen auf beiden Seiten führt. Die weitaus klareren haben freilich die Braun-Weißen, die in gleich zwei Szenen den Ausgleich erzielen müßten, aber einmal wird von einem Feldspieler auf der Linie gerettet, beim zweiten Mal können sich zwei frei durchgebrochene St. Paulianer nicht gegen Cottbus' Torhüter Pipliza durchsetzen. Jetzt ist auch Hollerieth bei den Kontern auf dem Posten und hält St. Pauli im Spiel, am Ende sind es dann doch die Gäste, die das letzte Tor der Partie erzielen und so zu einem lange gefährdeten, letztendlich aber sicherlich verdienten Sieg kommen. Aus Sicht des FC St. Pauli ist es eine Niederlage, nach der man erhobenen Hauptes vom Platz gehen darf, ob das aber den erhofften Schwung für die Liga bringt, darf dann doch bezweifelt werden...
Bei über 10000 verkauften Dauerkarten darf ein Besuch von unter 9000 gegen einen klassenhöheren Verein - der ja auch ein paar
Fans im Gefolge hat - getrost als Enttäuschung bezeichnet werden. Hier spielen wohl viele Faktoren eine Rolle, worunter genannt werden kann, daß Energie Cottbus eben doch keine echte Zugnummer ist, daß St. Pauli mit dem schwachen Saisonstart einige Zuschauer abgeschreckt haben mag und auch, daß viele wohl gefühlsmäßig noch nicht ganz die Ankunft der Kiezkicker in der Regionalliga verarbeitet haben und so Cottbus noch als eine Art alltäglichen Gegner ansehen. Wie dem auch sei, die anwesenden Zuschauer bemühen sich, durchgängig Stimmung zu machen und dem Team den Rücken zu stärken, wobei die Zelle des Supports bekanntermaßen auf der Gegengerade des Stadions liegt. Hier präsentiert man zunächst ein Intro mit Doppelhaltern und Konfetti, danach geht es dann per Gesang zu Sache, bis der Support nach dem 1:3 verständlicherweise in sich zusammenbricht. Die Anhänger von Cottbus halten mit einem Intro dagegen, bei dem eine Blockfahne und mehrere Transparente zusammen mit einem Schriftband "Derbysieger" präsentiert werden, das wohl auf die letzte Zweitliga-Montagpartie mit einem Spielgewinn gegen Dynamo Dresden anspielt. Danach gibt es auch von den Lausitzern ziemlich durchgängigen Support und zwischendurch gibt es noch eine Pyro-Einlage, bei der man sich vor allem durch das Werfen von brennenden bengalischen Fackeln auf den Platz keine Freunde macht, was dann auch von den heimischen Fans mit einem "Ihr seid doof!"-Sprechchor quittiert wird. Darüber hinausgehende Probleme zwischen den Fangruppen sind aus der Distanz nicht wahrnehmbar, auch wenn den Anhänger der beiden Teams ein nicht ganz unkompliziertes Verhältnis zueinander nachgesagt wird.
Das Millerntor ist ein kleines und kompaktes Stadion, das vom Aufbau her ein wenig an den Gladbacher
Bökelberg erinnert. Wie auch bei den Niederrheinern ist es eine Anlage, die durchaus ihren Charme hat, aber auch eine, die die Anforderungen an ein modernes Fußballstadion nur ungenügend erfüllen kann. So ist nur eine Längsseite mit einer komplett überdachten Tribüne ausgebaut, auf der anderen Längsseite - der berühmten Gegengeraden - ist zum Großteil unüberdachtes Stehen angesagt und nur im hinteren Bereich finden sich noch ein paar
überdachte Sitzplätze. Hinter den Toren wird sowieso offen gestanden und auf der Gästeseite findet sich hier auch noch die kultige Steck-Anzeigetafel. Ein Allseater wird am Millerntor sicher von niemandem gewünscht, aber eine komplette Überdachung würde sicherlich allgemein begrüßt werden, die Steigerung der Gesamtzahl der Sitzplätze könnte sicherlich auch nicht schaden, wobei die Stehplätze auf der Gegengeraden erhalten werden sollten, und mit ein paar dezent im Hintergrund gehaltenen VIP-Logen könnte wohl ein stetiger warmer Regen für die oft so ausgetrockneten Kassen des Clubs erzeugt werden. Anzumerken ist vielleicht noch, daß gerade die sicherlich etwas altmodischere Haupttribüne entscheidend zur Lärmkulisse im Ground beitragen kann, da man dort mit simplem Auftramplen ein ziemliches Getöse verursachen kann. Diese Beschreibung stammt aus einem älteren Bericht bei groundhopping.de - hinzugefügt werden soll hier noch, daß die Bezeichnung Millerntorstadion tatsächlich die offizielle ist - der frühere Name Wilhelm-Koch-Stadion wurde geändert, nachdem herausgekommen war, daß der namensgebende Ex-Präsident des FC St. Pauli Mitglied der NSDAP gewesen war. In einer als "turbulent" bezeichneten Jahreshauptversammlung wurde am 30.10.1998 die Unbenennung beschlossen, obwohl Koch - das Argument der Gegner der Umbennung - einem Gutachten zufolge "nur" ein Mitläufer und kein notorischer Nazi gewesen war.
Die Fotos in diesem Bericht haben ihren Schwerpunkt - wie man wohl sieht - eher im Bereich Fans. Für Bilder des Millerntorstadions selbst sei aufdiesen Spielbericht verwiesen, aus dem auch die Beschreibung der Anlage stammt.
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