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Carl Zeiss Jena |
19.08.2007, Ernst-Abbe-Sportfeld, 2. Liga |
Für den FC Carl Zeiss Jena war das letzte Jahrzehnt eine Geschichte von Niedergang und Comeback. 1997/98 spielte man in der zweiten Bundesliga, konnte jedoch die Klasse nicht halten und dem Abstieg in die Regionalliga folgte drei Jahre später ein zweiter, als es für die Thüringer sogar in die Oberliga
Nordost-Süd ging. Obwohl der FC Carl Zeiss dort nie schlechter als auf dem dritten Tabellenplatz abschloß, dauerte es vier Jahre, bevor man als Meister der Oberliga in die Regionalliga zurückging und das darauffolgende Jahr brachte den überraschenden Durchmarsch, so daß Jena zur Spielzeit 2006/07 wieder dort war, wo man zehn Jahre zuvor gestanden hatte, nämlich in Liga 2. Hier schaffte man mit dem 13. Platz den Klassenerhalt und in der laufenden Spielzeit hat man sich in Ostthüringen das Erreichen von 45 Punkten zum Ziel gesetzt, womit man sein Vorjahresergebnis um sieben Zähler steigern würde. Der FC St. Pauli benötigte sogar nur drei Jahre, um drei Ligen 'auszuprobieren' als man von 2001 bis 2003 zweimal abstieg und so von der Bundesliga zur Regionalliga durchgereicht wurde. Nach einer durchwachsenen Hinrunde im Vorjahr brachte eine hervorragende zweite Serie noch den recht souveränen Aufstieg, der bereits einen Spieltag vor Schluß sichergestellt war und in dieser Spielzeit wird es wohl kaum höhere Ziele für die Kiezkicker geben, als irgendwie die Klasse zu halten, belegt man doch in vielen Prognosen einen Abstiegsplatz.
Während Jena am ersten Spieltag Alemannia Aachen schockte und nach einem 0:2-Rückstand ins Spiel zurückfand, um noch einen Zähler vom Tivoli zu entführen,
mußten die Braun-Weißen feststellen, daß gutes Spiel alleine nicht reicht, denn man erzielte kein Tor und ging nach dem Heimspiel gegen den 1. FC Köln zwar mit guten Kritiken, aber auch einer 0:2-Niederlage vom Feld. Entsprechend selbstbewußt treten die Hausherren auf und drängen den FC St. Pauli schnell in die Defensive, der zwar dagegenhält so gut es geht, aber die Führung der Hausherren scheint nur eine Frage der Zeit zu sein. In der 20. Minute kommt es dann auch zu einem Treffer, der aber stellt den Spielverlauf auf den Kopf, der die Hamburger kommen bei ihrer ersten brauchbaren Torchance zum Führungstor, das freilich hervorragend herausgespielt ist. Es folgt ein Sturmlauf der Gastgeber, der sich auch nach der Pause fortsetzt, aber die Thüringer bringen das Leder einfach nicht über die Linie, wobei man bei einem Alutreffer etwas Pech hat, sich aber meistens eher selbst im Weg steht. So bleibt am Ende die Erkenntnis für Jena, zu der St. Pauli schon vor einer Woche gekommen ist, nämlich, daß es nicht reicht, gut zu spielen, wenn dabei nichts Zählbares herauskommt und es spricht für den Charakter der Hausherren, daß man das nicht auf den Schiedsrichter schiebt, obwohl man während der Partie zweimal vergeblich Elfmeter protestiert hat, sondern die Schuld - wohl zu Recht - bei sich selbst sucht.
Vor dem Spiel verliest der Stadionsprecher eine von Heim- wie Gästefans beklatschte Erklärung, in der man als ein humanistischen Grundsätzen verpflichteter Club beklagt, daß am gestrigen Tag Nazis durch
Jena marschieren und den Todestag von Rudolf Heß begehen durften - ein von der Stadtverwaltung verhängtes Verbot war von gerichtlicher Seite aufgehoben worden. Während des Spiels bezieht man sich im Heimblock in einer weiteren Aktion auf die gleiche Thematik, als man ein Transparent ausrollt, auf dem zu lesen ist Null Toleranz dem Rassismus - kein Fest der Völker in Jena und sich damit gegen ein Rechtsrockfestival in der Stadt richtet. Rein auf den Sport bezogene Aktionen gibt es freilich auch und so präsentieren die Anhänger des Heimclubs als Intro eine schön anzusehende Choreographie, zum Thema Wir sind ein Teil vom Ganzen bei der es neben entsprechenden Spruchbändern Plastikfahnen in den Vereinsfarben Blau und Gelb zu sehen gibt und dazwischen ein Blockbanner der Harakiri, die mit dieser Aktion ihr dreijähriges Jubiläum als Nachwuchsgruppe der Jena-Ultras Horda Azurro begehen. Währendessen hält St. Pauli mit einer Massenfahnen-Aktion optisch gut dagegen und das gilt dann auch während der Partie für die Gesänge, doch von den Bemühungen der Gästefans ist nur selten etwas zu hören, denn die Anhänger der Hausherren sorgen nicht nur aus dem Fanblock, der direkt neben dem Block der Gäste liegt, für Support, sondern auch von der Haupttribüne auf der anderen Seite der Gäste aus, so daß die Auswärtsfans akustisch zwischen den Anhängern von Carl-Zeiss mehr oder weniger plattgedrückt werden. Stimmungsmäßig kann der FC Carl-Zeiss jedenfalls voll überzeugen - zumindest in der heutigen Form dürfte man zum Besten gehören, was die zweite Liga zu bieten hat.
Das Ernst-Abbe-Sportfeld stammt von 1924 und originellerweise hat man Eindrücke von der Grundsteinlegung per 'Flaschenpost' in die Zukunft geschickt,
denn beim Bau der beeindruckenden Flutlichtanlage des Sportfeldes kam 1973 eine Flasche ans Tageslicht, auf deren Inhalt dieses Geschehen ausführlich dokumentiert war. In der heutigen Form finden hier jedenfalls 14000 Zuschauer rund um den Mehrzweckplatz samt Laufbahn Platz, von denen 4000 auf der überdachten Haupttribüne mit ihren - natürlich - blauen und gelben Sitzen und 2500 weitere auf den unüberdachten Sitzen gegenüber unterkommen können - demnächst soll eine Zusatztribüne für weiteren Platz sorgen. In den Kurven gibt es dann noch Stehtraversen, wobei die Anhänger von Hausherren und Gästen wie gesagt in einem Hintertorbereich - von der Haupttribüne aus gesehen rechts - nebeneinander stehen. Der größte Blickfang des Sportfeldes sind aber die dreibeinigen Flutlichtmasten geblieben, bei denen die Strahler an einer sprungturmähnlichen Konstruktion mit neun übereinanderliegenden "Sprungbrettern" untergebracht sind und die in dieser Form einzigartig sein dürften - sehr hübsch ist aber auch der Uhrenturm im Hintertorbereich gegenüber von den Fanblöcken.
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